Wie eine Bewegung im Gehirn zustande kommt

Jeder von uns kann ohne großes Nachdenken, einfach nach einer Tasse greifen und den Kaffee daraus trinken. Dahinter versteckt sich viel Arbeit, die unser Gehirn leisten muss, damit wir in der Lage sind diese Bewegung durchzuführen. Um diese Abläufe einmal grob zu verstehen, gehst du beim Lesen des Blogs Schritt für Schritt durch die verschiedenen Gehirnregionen und ihre Funktionen. Wenn du dich zum Beispiel entscheidest, eine Tasse Kaffee greifen zu wollen, ist das eine selbsterzeugte freiwillige Bewegung und kein Reflex. Das Ganze wird ein motorisches Ziel genannt.

Aber der erste Schritt des ganzen Prozesses ist nicht, dass du dein motorisches Ziel definiert hast, sondern, dass der intraparietale Cortex (befindet sich etwa unterhalb der Schädeldecke im hinteren Gehirnbereich) eine Karte anlegt mit all den Objekten in deiner Umgebung, die potenziell deine Aufmerksamkeit erregen könnten (Wong et al., 2015). Das heißt, dass die Tasse auf dieser Karte zu finden ist, aber auch die Lampe und der Stuhl in deinem Zimmer. Da du aber gerne Kaffee trinken möchtest, wird deine Aufmerksamkeit am meisten durch die Tasse erregt. Der intraparietale Cortex hilft dir, sich für ein motorisches Ziel zu entscheiden.  (Wong et al., 2015).

Der seitliche präfrontale Cortex (etwa hinter der Stirn/ Denken) hilft dir, den Endpunkt deiner potentiellen Greifbewegung einen Endpunkt zugeben. Durch die Prioritäts-Karte weißt du jetzt, dass du gerne Kaffee trinken willst, aber du weißt noch nicht genau wie du die Tasse nehmen kannst.  (Wong et al., 2015) In diesem Falle ist es das Greifen der Tasse.

Was passiert, wenn deine Tasse Kaffee zu heiß ist und deine Greifbewegung gehemmt oder verzögert wird? Hier hilft dir der seitliche präfrontale Cortex durch bestimmte Regelmechanismen.  (Wong et al., 2015) Das Beispiel „Straße überqueren“ ist gut geeignet,  diesen Vorgang besser zu verstehen.

Dein motorisches Ziel besteht darin, dass du gerne die Straße überqueren möchtest. Es gibt eine Ampel, die du beachten musst.  Die Regel, dass man nur bei Grün gehen darf, wird dir auf deiner Karte priorisiert und erregt deine Aufmerksamkeit. Dieser Prozess wird dir aus dem präfrontalen Kortex mittgeteilt.

Eine Option den Bewegungsplanungsablauf im Gehirn einzuteilen sind die „What“ und „How“ Prozesse (Wong et al., 2015). Die bereits oben beschriebenen Prozesse sind Teil des „What“ Prozesses. Du entscheidest, welches Objekt dich interessiert oder was du wahrnimmst. Im zweiten Schritt geht es darum, was du was man damit machen möchtest.  (Wong et al., 2015).

Die Arbeit der frontalen Augenfelder kann als Übergang zwischen dem „What“ und „How“ Prozessen verstanden werden. Durch die beiden vorherigen Gehirnregionen weißt du, welches Objekt du interessant findest und kannst grob einschätzen, was du damit machen willst. In den frontalen Augenfeldern wird nun ein spezifischeres motorisches Ziel definiert (Wong et al., 2015). In deinem Fall wäre das das Nehmen der Tasse, um den Kaffee zu trinken.

Der supplementärmotorische Cortex (SMA) und der pre-supplementärmotorische Cortex (pre-SMA) sind wichtige Teile des „How“ Prozesses (Wong et al., 2015). In diesem Prozess wird genau geschaut, welche Bewegungen du machen musst, damit du dein Ziel erreichen kannst (Wong et al., 2015). Das abstrakte Konzept deines Ziels die Tasse zu nehmen wird in einen konkreten Bewegungsplan umgewandelt (Wie kann ich dieses Ziel erreichen?) (Wong et al., 2015).

Zwei Prozesse sind besonders wichtig:

  • Die Auswahl der Bewegungen und die Konkretisierung der Bewegungen (Wong et al., 2015). Der SMA und der pre-SMA wirken in dem ersten der zwei Prozesse mit, da sie die Bewegungen der verschiedenen Muskeln bzw. Körperteile auswählen (Wong et al., 2015). In deinem Fall würde das bedeuten: Du willst die Tasse nehmen, musst  deinen Arm ausstrecken,  Hand und  Finger so halten, dass du den Tassengriff greifen kannst (Wong et al., 2015). Die beiden Gehirnregionen zeigen eine deutliche  Aktivität bevor die Bewegung durchgeführt wird.  Das induziert, dass sie für die Planung der Bewegung sehr wichtig sind (Binkofski & Buxbaum, 2012).
  • Eine andere wichtige Funktion des SMA ist, dass er ungewollte Bewegungen, die durch Objekte in unserer Umgebung getriggert werden, hemmt (Sumner et al., 2007). Dieses „Triggern“ von Bewegungen nennt man „Motor Priming“.

Folgendes Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen: Du sitzt gerade an deinem Computer und dein Handy leuchtet auf. Dein Bedürfnis, dein Handy zu greifen verstärkt sich. Aber da du gerade am PC sitzt, wird dieses Bedürfnis durch den SMA gehemmt.  (Sumner et al., 2007). Die Konkretisierung einer Bewegung findet im prämotorischen Cortex (PMv) und im primär motorischen Cortex (M1) statt (Wong et al., 2015). Dort wird der genaue Bewegungsablauf festgelegt und alles angepasst, wie z.B. Körperhaltung, die Schnelligkeit der Bewegung, die Bewegungsrichtung etc. (Wong et al., 2015). Wenn du vor deiner Tasse Kaffee stehst, musst du dich eventuell ein wenig runterbeugen und dann den Arm nach vorne bewegen, um die Tasse greifen zu können. Nachdem die ganze Bewegung geplant wurde, kann das Gehirn einen Impuls an die Muskeln senden, um die Bewegungen auszuführen. Und jetzt kannst du endlich deine Tasse nehmen und den Kaffee trinken!

Dieser Prozess spielt sich in Sekunden ab. Ziemlich beeindruckend, oder?

 

(Vielen Dank für die Mitarbeit an diesem Text durch Johanna Koch, Psychologie B.Sc.)

 

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Mit sportlichen Grüßen

Deine fitmitgrit.

 

 

Referenzen

Wong, A.L., Haith, A.M., Krakauer, J.W. (2015). Motor planning. Neuroscientist 21, 385-398.

Binkofski F, Buxbaum L (2013). Two action systems in the human brain. Brain and language, 127(2), 222-229.

Sumner, P., Nachev, P., Morris, P., Peters, A.M., Jackson, S.R., Kennard, C., Masud Husain, M. (2007). Human medial frontal cortex mediates unconscious inhibition of voluntary action. Neuron 54, 697-711.

Blog 110 – Wie dir dein Gehirn dabei hilft, eine Tasse Kaffee zu greifen

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