Wie Du das Smartphone für klassisches Mentaltraining nutzen kannst und welche Grenzen bestehen, erfährst du in meinem folgenden Artikel.  

Theoretischer Hintergrund

Der Begriff des Mentaltrainings wird häufig undifferenziert verwendet. Klassisches Mentaltraining ist nicht zu verwechseln mit dem Training mentaler Stärke. Letzteres ist ein oft inflationär gebrauchter Begriff, der beschreibt, dass ein Athlet über selbstregulative bzw. exekutive Fähigkeiten verfügt, die ihm ermöglichen, auch unter suboptimalen Bedingungen sein volles Leistungspotenzial abzurufen. Mental starke Athleten sind in der Lage, bei schlechter körperlicher Verfassung, Wettkampfangst, ungewohnten Bedingungen, (z.B. einer neuen Wettkampfstätte) oder bei starkem Klimawechsel ihr Potential abzurufen.

Wenn von klassischem Mentaltraining gesprochen wird, ist die Vorstellung und das Trainieren von sportlichen Bewegungsabläufen gemeint. Diese werden dann mit der eigentlichen Bewegungsausführung gekoppelt und sollen die Performance des Sportlers verbessern.  Komplexe sportliche Bewegungsabläufe, wie z.B. das Schlagen einer Rückhand beim Tennis, eine doppelte Schraube beim Turmspringen oder ein gedrehter Tritt beim Kickboxen können nur dann perfekt gelingen, wenn auch die dazugehörigen kognitiven Fertigkeiten entsprechend entwickelt sind. Sie müssen demnach auf gleichem Niveau trainiert werden wie die Bewegungen. Zwei der wichtigsten kognitiven Fertigkeiten sind die Selbstgesprächsregulation und das Vorstellungstraining. (Das Vorstellungstraining werde ich in einem anderen Artikel näher beschreiben.)

Gezielte Anwendung:

Dein Smartphone kannst du für ein klassisches Mentaltraining nutzen, indem du die korrekten Bewegungsabläufe von dir selbst oder einer anderen Person regelmässig in einem oder mehreren Videosequenzen anschaust. Dafür wählst du die Videos zum Beispiel aus einem Youtube – Kanal aus oder nutzt deine Aufnahmen von deinem perfekten Training oder Wettkampf. Fehlerhafte Sequenzen haben nichts im Mentaltraining zu suchen, denn dein Gehirn funktioniert wie ein Schwamm und du willst ja nur die besten Ergebnisse erzielen.

Obwohl dem Training der mentalen Fertigkeiten genauso viel Aufmerksamkeit zukommen sollte wie dem körperlichen Training, werden sie oft vernachlässigt. Das liegt zum Teil daran, dass sie nicht „greifbar“ sind: Wenn ein Tennisspieler Probleme hat, eine saubere Rückhand zu schlagen, stellt er sich auf den Platz und schlägt so lange Rückhände bis die Technik sitzt. Das Training motorischer Fähigkeiten kann tausende Wiederholungen in Anspruch nehmen und daher Monate bis Jahre dauern. Um eine Bewegung auf höchstem Niveau zu beherrschen, braucht es im Durchschnitt 10 000 Wiederholungen.

Dennoch sehen Athlet und Trainer dabei genau, was getan wird.  Es handelt sich um konkrete, physische Aktivitäten. Im Gegensatz dazu lässt sich der Glaubenssatz eines Tennisspielers „Ich werde es wieder nicht schaffen!“, nicht mit einem simplen Techniktraining beheben. Um an diesen negativen Selbstgesprächen zu arbeiten, ist es erforderlich, ihre Herkunft zu identifizieren und sie in mentalen Trainingseinheiten zu verändern.  Von außen betrachtet und bewertet, wirkt Mentaltraining unspektakulärer als physisches Training und wird gerne hintenangestellt. Die intelligente Verknüpfung von mentalem und physischen Training ist am effektivsten, wenn alle eigenen Leistungen zu verknüpft und verbessert werden.

Anwendung:  Es kann sein, dass du zuviele Videos vor dem Training und Wettkampf anschaust und deine Konzentration stark abfällt. Nutze das Smartphone maximal bis zu einer Stunde vor Training und Wettkampf, um deinem Gehirn Zeit für neue und konzentrative Phasen zu geben. Wissen und Können braucht Zeit und Muse, um integriert zu werden.

Wie du mit den genannten kognitiven Fertigkeiten und Methoden mit und ohne Smartphone trainieren kannst, schauen wir uns im folgenden Abschnitt an.

Selbstgesprächsregulation in Alltag und Sport

Menschen führen in verschiedensten Situationen innere Gespräche. Sie dienen dazu, unser Handeln zu strukturieren und eingehende Informationen einzuordnen. Typische Selbstgesprächsverläufe entstehen zum Beispiel vor, während und nach dem Kochen eines Gerichtes. Zuerst liest du dir das Rezept durch und bringst dann die Informationen in eine sinnvolle Struktur:

Ah, zuerst muss ich das Fleisch marinieren. Am besten über Nacht? Okay, die Gäste kommen heute Abend, dann muss es eben schneller gehen. Die Kartoffeln sollte ich nicht zu lange kochen, letztes Mal waren sie matschig.“

Auch während des Kochens ist man in ständigem Dialog mit sich selbst:

Da kann noch etwas Salz dran. Oh, jetzt das Fleisch wenden, sonst verbrennt es auf der Seite.“ Wenn das Gericht zubereitet ist und die Gäste am Tisch sitzen, folgt eine Evaluation, das Ergebnis des Handelns wird bewertet:

Es scheint allen zu schmecken. An das Dressing hätte noch ein Schuss mehr Essig gekonnt. Das muss ich mir fürs nächste Mal merken.“

Die meisten dieser Selbstgespräche entstehen automatisch und sind uns selten bewusst. Beim Sport spielen sie eine sehr wichtige Rolle.  Verschiedene Studien zeigen, dass die Leistung in sportlichen Wettkämpfen direkt von der Qualität der Selbstgespräche der Athleten beeinflusst wird.

Selbstgespräche können im sportlichen Wettkampf über Fehler hinwegtragen. („Die erste Runde habe ich verloren. Jetzt kann ich zeigen, was ich wirklich draufhabe!“) Die Leistungsreserven werden mobilisiert. („Auf gehts, du hast noch genug Power!“) Die Aufmerksamkeit wird von negativen auf positive Aspekte gelenkt. („Der Gegner hat eine starke Linke. Aber ich bin dafür viel schneller als er!“). 

Wie kannst du konkret vorgehen, um die eigenen Selbstgespräche zu verbessern? Im ersten Schritt gilt es, negative Selbstgespräche zu identifizieren und zu eliminieren. Eine bewusste Selbstbeobachtung kann du im Training nutzen, um entsprechende Gedanken herauszufiltern. Du brauchst dazu etwas Geduld und eine spezifische Achtsamkeit für diese Aufgabe, um die mentalen Vorgänge besser greifbar werden zu lassen.

Zum Beispiel gibt es in der Kür einer Bodenturnerin ein besonders kniffliges Element. Je näher sie diesem Teil der Kür kommt, desto mehr schlägt ihr inneres Gespräch ins Negative um:

Gleich kommt es wieder, oje, hoffentlich klappt es! “.

Sobald du negative Sätze identifiziert hat, kannst du ein leistungsförderndes Selbstgespräch erarbeiten.  Es ist hilfreich, den Fokus auf die konsequente Ausführung der Bewegung oder Bewegungsverbindung zu lenken. Diese Bewegungsverbindungen nennt man auch Knotenpunkte: Die Stellen, an denen einzelne Elemente der Bewegung ineinander übergehen. Die Konsequenzen der Handlung gehören nicht zum Selbstgespräch. Du arbeitest die einzelnen Abfolgen der Bewegung in dein Selbstgespräch ein.  Zum Beispiel bei einem Wurf im Judo: „Einhaken – Arm greifen – Hüfte tief – eindrehen – Beine strecken“. Verkürzt und praktisch könnten die Knotenpunkte lauten: „Arm – Tief – Dreh!“

Leider gibt es noch keine App, die diesen Vorgang für uns übernimmt, Selbstgespräche zu identifizieren und umzugestalten. Diese Arbeit musst du als Sportler selbst erledigen.

Anwendung Smartphone: Dein Selbstgespräch

Es ist hilfreich, die im ersten Schritt identifizierten Selbstgespräche aufzuschreiben oder mit Hilfe der Audiofunktion deines Smartphones festzuhalten. Es können zunächst normale Selbstgespräche sein, die du auf positive und negative Tendenzen prüfst.

  1. Du kannst positive Selbstgespräche für Alltag und Sport trainieren und zweimal täglich in dein Smartphone sprechen.
  2. Du kannst sportliche bzw. selbstregulatorische Gespräche für Training und Wettkampf in einem ausschließlich positiven Ton und Inhalt mit deinem Smartphone aufnehmen.

Eine weitere Möglichkeit, dein mentales Training zu gestalten, sind positive Selbstgespräche. Sie werden Affirmationen genannt. Dabei handelt es sich um Sätze, die du dir selbst immer wieder sagst, um deine Gedanken dauerhaft in eine positive Richtung zu lenken.

Anwendung: Positive Affirmationen findest du in verschiedenen Apps. Gehe gezielt für dich auf die Suche.

Das kann zum Beispiel der Selbstmotivation dienen und dich in Wettkampfsituationen antreiben, wenn du eigentlich aufgeben willst

Hannes Lindemann, ein deutscher Arzt, der mehrmals den Atlantik nur in einem Faltboot überquerte, begann ein halbes Jahr vor der Atlantikquerung, sich dreimal täglich den Satz „Ich schaffe es!“ einzuprägen. Diese Einstellung machte er sich so stark zu eigen, dass er es schaffte, unter extremen Bedingungen auf hoher See weiter an seinem eisernen Überlebenswillen festzuhalten und durchzuhalten.

Dieses extreme Beispiel zeigt, wie wirkungsvoll Affirmationen sein können. Nicht nur im Sport, auch in allen anderen Lebensbereichen kann es enorm hilfreich sein, die eigenen Überzeugungen und Gedanken mit solchen Mantras zu beeinflussen. Beispielsweise kann die Angst vor Prüfungen oder Bewerbungsgesprächen effektiv gelindert werden.

Anwendung Smartphone: Smartphone Detox

Wann immer du dein Smartphone nicht brauchst, lege es weg oder schalte es aus.

Deine mentale Gesundheit wird geschützt und du lebst glücklicher!

 

Viel Spass mit und ohne Smartphone.

Deine fitmitgrit.

Blog 91 Mentales Training in Wettkampf und Training – mit oder ohne Smartphone?

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