Ultraläufer mit Leidenschaft

Im folgenden Interview sprach ich mit Kristian P. (39) Er ist Ultra Runner und seit 10 Jahren mit Leidenschaft in dieser Extremsportart beheimatet. Ich wollte wissen, wie er seine mentale Stärke in diesen langen und komplexen Läufen, über Stock und Stein gezielt einsetzt. Er ist schon bei über 60 internationalen Ultratrails gelaufen und läuft Distanzen von 50 bis 500 km am Stück, teilweise bis zu mehreren Tagen am Stück und schläft nur während Läufe nur wenige Stunden. Beim Projekt Swiss 500 hat er direkt 2 Ultraläufe zusammengelegt und war der einzige Starter mit der Startnummer 500.

 Krystian, wie hat deine Passion für das Ultra Running überhaupt angefangen?

„Meine erste Sportart war Fußball. Danach bin ich in die Leichtathletik gewechselt und war als Jugendlicher gut im Sprinten. Ich habe besonders die Distanz von 400m erfolgreich absolviert. Mit 15 Jahren musste ich einmal in einem Schulsportwettkampf einspringen und für einen ausgefallenen Sportler die 400m laufen. Ich konnte spontan den aktuellen Rekord verbessern, was eine sehr große Bestätigung für mich war. Im Alter von 16 Jahren habe ich im Verein angefangen und mich in der Disziplin Sprint weiterentwickelt.“

 Krystian, du kommst aus Polen, hast Sportwissenschaften an der Sportuniversität in Warschau studiert und bist dann zur Sporthochschule in Köln gewechselt. Wie hast du diesen Wechsel hinsichtlich deiner sportlichen Aktivitäten gestaltet?

Der Werbespruch einer großen Sportmarke „Impossible is nothing“ war eine große Motivation für mich. Sobald ich eine sportliche Grenze empfinde, versuche ich diese zu verschieben und dann verschiebe ich sie auch, für mich selbst. Noch vor 10 Jahren habe ich jeden Tag 12-13 Stunden in der Gastronomie gearbeitet und bin danach noch 2-3 Stunden laufen gegangen, teilweise auch nachts. Das war auf Dauer nicht gesund und deshalb habe ich   den Job gekündigt. Mein Lebensstil hat sich dadurch verändert und ist jetzt mehr an meine Interessen und wahren Bedürfnisse gebunden. Insgesamt habe ich 5 Jahre in der Gastronomie gejobbt. In den letzten 1, 5 Jahren habe ich mit dem Marathontraining angefangen.

Ich bin in Vorbereitung auf die ersten Marathons tausende Kilometer gelaufen, und hatte dadurch eine gute allgemeine Ausdauerfähigkeit entwickelt. Das hat mir sehr geholfen, lange Laufzeiten durchzuhalten und ist bis heute sehr nützlich, wenn ich viele Stunden auf den Trails der Welt meine Leidenschaft auslebe. Durch mein Fachwissen, meinen Wissensdurst und mit vielen Hilfe von vielen praktischen   Erfahrungen im Laufsport, konnte ich mich selbst immer sehr gut meine Strategien optimieren, besonders im Bereich der mentalen Stärke.“

Wie wichtig ist die mentale Komponente im Ultra Trail Running?

 „Sehr wichtig! Allgemeine physische und psychische Stärke sowie Ausdauer sind nicht das Wichtigste. Man muss kniffelige Situationen lösen können. Es treten auf langen Distanzen immer Fehler auf, und damit muss man umgehen können. Magen-Darm Probleme, Stürze, Verlaufen im Terrain oder Motivationseinbrüche. Ich versuche immer, die Hoffnung  aufrechtzuerhalten, dass ich es schaffen werde, den Anschluss auf langen Strecken zu finden und den Lauf zu beenden. Bei einem 400m Sprint zum Beispiel ist keine besonders psychische Flexibilität nötig. Der Lauf ist kurz und knapp, die gesamte Strategie wird bereits vor dem Start festgelegt und man muss nicht weiter nachdenken. Aber beim Ultra Trail gehen mir über mehrere Stunden besonders viele Gedanken durch den Kopf. Diese Zeit des Denkens kann sehr hilfreich, aber auch kontraproduktiv sein, da die Art der Gedanken sehr wichtig ist. Meine mentale Komponente basiert im Großen und Ganzen auf Hoffnung auf Erfolg, auf Durchhaltevermögen und jeder Menge Vorstellungskraft. Starke innere Bilder geben mir besonders viel Kraft und Motivation.“

 Wie schaffst du es trotz ungünstiger Bedingungen, wie z.B. bei Verletzungen, dranzubleiben?

„Ja, ich habe schon Wettkämpfe mit Verletzungen absolviert und habe den Zieleinlauf geschafft. Das Wichtigste ist in dieser Situation die Zielsetzung. Ich kann aber trotzdem mein Limit erkennen, wenn Leib und Seele in Gefahr sind. Besonders auf kürzeren Distanzen finde ich genau heraus, wozu ich in der Lage bin und diese Erfahrungen nutze ich ganz gezielt für längere Distanzen. Beim Crossing Switzerland/ Swiss 500 (Wettkampf 1) war ein Zeitlimit von 180 Stunden vorgegeben. Mein Ziel waren 184 Stunden und ich habe letztendlich 119 Stunden dafür gebraucht. Ich habe meine Kräfte gut eingeteilt und deshalb mein Ziel erreicht. Ich denke, es ist Erfahrungssache und viel Feingefühl dabei. Die Kompetenzen und die Einschätzung von spezifischen oder risikovollen Situationen werden jedes Jahr mehr. Das gibt Sicherheit.“

Du bist nahtlos vom 1. Wettkampf Crossing Switzerland in den 2. Wettkampf übergegangen und hast als einziger Läufer eine 500 als Startnummer. Wie hast du dich motiviert, um beide Distanzen am Stück zu schaffen?

„Für beide Wettkämpfe zusammen habe ich 7 Tage gebraucht und dabei nur 6,0 Stunden geschlafen. Ich habe verschiedene Bilder im Kopf verankert und nutze diese kraftvoll genutzt. Am letzten Tag habe ich mir dann vorgestellt, dass ich vor dem Sonnenuntergang ins Ziel kommen möchte. Das hat mir noch einmal einen Motivationspush gegeben.

Ein Sonnenuntergang löst bei mir immer starke Gefühle aus und gibt mir die gewünschte Power.“

Wie bist du eigentlich auf die Idee mit dem Projekt Swiss 500 gekommen?

„Ich setze mir gerne realistische Ziele, die ich aber meist mit meinen Erfolgen überschritten habe. Für meine Idee Projekt „Swiss 500“ habe ich den Veranstalter angeschrieben. Er hat zugesagt und ich konnte mein Projekt durchführen. Ich erhielt eine personalisierte Startnummer, eben die 500. Insgesamt gab es 200 Startplätze. Die Idee sorgte doch für einiges Aufsehen.“

Im letzten Jahr gab es bei einem Wettkampf in Portugal eine spontane Streckenänderung. Wie hast du dich schnell an diese veränderte Bedingung angepasst?

„Letztes Jahr habe ich diesen Wettkampf in Portugal zum 3. Mal absolviert und bin Zweiter geworden.  Bei den anderen Wettkämpfen habe ich es nur auf Platz 9 geschafft. Beim letzten Mal wurde die Strecke kurzfristig geändert, so dass man von Westen nach Osten laufen musste. Vorher war es genau umgekehrt.  Die Strecke wurde dadurch schwieriger, weil das Ende nun bergig war. Da ich so richtig Energie bekomme, wenn ich durch bergiges Gelände laufe, kam mir die Entscheidung zugute und ich konnte mein volles Potential ausschöpfen.

Für die Portugiesen kam das überraschend, weil sie sich anders vorbereitet hatten.

 Mit dieser veränderten Bedingung der Laufrichtung habe ich auch mein Schlaflimit nach oben verbessert.  In diesem Lauf bin ich 49 Stunden ohne Schlaf durchgelaufen. Zwischendurch habe ich nur einmal eine 5-minütige Pause und eine 10-minütige Pause effektiv nutzen. Ganz speziell in diesem Lauf habe ich meine persönliche Grenze in Sachen Schlaf verschoben. In der Vergangenheit habe ich 30 bis 35 Stunden ohne Schlaf geschafft.

 Gegen 18 Uhr habe ich den Lauf beendet und war so wach, dass ich nicht direkt schlafen gegangen bin, sondern im Zielbereich noch einen portugiesischen Wein in der Gruppe genießen konnte.  Letztendlich bin ich an diesem Tag um Mitternacht ins Bett gegangen, was mit meiner verstärkten Endorphin – und Hormonausschüttung zu tun hatte. Am Ende war ich über 60 Std wach.“

Wie kurz ist die kürzeste Pause auf Extremevents?

 „Die kürzeste Pause ist bei mir klar definiert. Das sind etwa 30 Sekunden.

Ich fülle dann nur kurz mein Wasser auf und hole mir was zu essen, laufe dann weiter. Das Essen wird bei mir gehend oder trabend konsumiert.“

Wie gehst du im Allgemeinen vor, wenn du Schlafpausen vor deinen Ultraläufen einteilst?

„Auf jeden Fall mache ich mir vorher zunächst Gedanken, wie ich meine Kräfte einteilen kann.

Bei dem diesjährigen Projekt Swiss 500 hatte ich nach 30 Stunden eine erste 30-minütige Pause, die 2. Pause sollte 1 Stunde dauern, die 3. Pause 1, 5 Stunden, die 4. Pause 1 Stunde und die letzte Pause 30 Minuten. Ursprünglich hatte ich geplant, dass jede Pause 90 Minuten dauern sollte, basierend auf den neuesten Erkenntnissen aus der Neurowissenschaft.  

Normalerweise dauert ein Schlafzyklus ca. 70-90 Minuten. Aber diese 90 Minuten haben nur einmal bei mir funktioniert. Wenn ich nach solch einem Zyklus wach werde, laufe ich direkt weiter. In Portugal wollte ich ursprünglich geplant 20 Minuten Pause machen, aber ich wurde vor dem Wecker wach. Das Abschalten der Gedanken gelingt nicht sofort, da beim Laufen das Gehirn sehr aktiv ist. Wenn ich mich in einer latenten Einschlafphase befinde, beruhigen sich meine Gedanken nur sehr langsam. Die Kontrolle der Strecke, das Ziel vor Augen und mein Wille weiterzukommen, verhindern einen tiefen Schlaf. Dadurch kann ich nie 100% abschalten.

Bei einer Pause von 90 Minuten kann ich richtig einschlafen, ohne einen Überhang an Gedanken. Ich gehe davon aus, dass der Körper durch das lange Laufen Endorphine und Dopamin ausschüttet und dieser Prozess fließend langsam in den Ruhezeitraum übergeht.

 Im Wettkampf ist es gewünscht, dass man nicht abschaltet, damit der Parasympathikus aktiv bleibt. Ich plane selbst während meines Halbschlafes, was ich nach dem Schlafen machen werde, wie z.B. Aufstehen, Sachen nehmen oder Weiterlaufen.“

Die Fortsetzung des Interviews erfolgt im zweiten Teil. 

Vielen Dank. 

Deine fitmitgrit. 

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